35 Jahre Tschernobyl

Atomkraft, Erneuerbare, Kernwaffen

Am 26. April 1986 explodierte der Reaktor-Block 4. Das war schlimmer als ein GAU, es war die schlimmste Stufe eines katastrophalen Unfalls auf der INES-Skala. Anlass heute, wegen der aktuellen Tendenzen grundsätzlich zu werden und diesen entgegen zu treten.
Die Tendenz nimmt zu, mehr Atomkraftwerke zu fordern. Begründet als wirksame Maßnahme, den Energiehunger zu befriedigen ohne CO2 zu produzieren. Und angeblich in einem Maße, wie es die Erneuerbaren Energien nie schaffen könnten. Als Beweis wird aufgeführt, wieviele neue AKWs geplant werden. Statista gibt im Juli 2020 an für China 44, für Russland 24 und Indien 14, gefolgt in einigem Abstand von Ägypten mit 4 und den USA mit 3 geplanten Atomreaktoren. Die gleiche Quelle nennt die Zahl der meisten im Moment betriebsfähigen AKWs mit 95 in den USA, 56 in Frankreich, 47 in China und 38 in Russland. Deutschland hat noch 6, die bis Ende 2022 abgeschaltet werden.

Wie ist das möglich, wenn doch das Internationale Wirtschaftsforum Regenerative Energien (IWR) am 13.11.2020 nachweisen kann, Atomenergie wird für Stromerzeugung irrelevant – zu teuer und zu langsam. Schon im vorigen Jahrhundert wiesen Atomkraftgegner zurecht darauf hin, dass ohne Subventionen inklusive Entsorgung jede einzelne nukleare kWh über 10 DM kostet (1980 staatlich fixiert und subventioniert zu 0,18DM verkauft. Erst 2005 wurde der Strommarkt liberalisiert und die Preisbindung aufgegeben). Eine 600 Megawatt Solaranlage ist in Saudi Arabien geplant und wird ohne jegliche Förderung die kWh zu 0,0104 USD liefern. Was nur ein Anfang für die niedrigen Kosten darstellt. Der BUND führt mit „Die wahren Kosten von Atomkraft“ ebenfalls die Unwirtschaftlichkeit als eines von mehreren Argumenten an.

Das ist möglich, weil es gar nicht um die Enteignung der Investoren oder kaum um den Erhalt von Arbeitsplätzen in der Industrie geht. Oder gegen die Energiewende nach der Regel für weniger CO2 bitte mehr AKWs. Wer setzt denn auf Atomkraft?
Die zivile Nutzung der Atomkraft stärkt und sichert den Erhalt der Atomwaffen. Geplant und in Betrieb sind s.o. 50 bis 100 Anlagen in den USA, in China, Russland und Frankreich. Mehr unter Dank Atomkraft zur Atombombe bei ausgestrahlt.de.

In einem Essay von 2010 bei der Bundeszentrale für Politische Bildung stellt sich die Frage, „ob diejenigen Staaten, die heute bereits Nuklearwaffen besitzen, zu ihrer Aufgabe bereit wären. Denn Kernwaffen bedeuten einen herausgehobenen Status, sie bieten Schutz vor Invasion und äußerer Einflussnahme, selbst dann, wenn man wie im Falle Nordkoreas politisch fast vollständig isoliert ist, und sie sind eine Art Überlebensversicherung in einer feindlichen Nachbarschaft, was der Hauptgrund für Israels Atomwaffenbesitz ist.“

Die Tendenz zu mehr Atomkraft ist absurd wegen der Unwirtschaftlichkeit. Den Wirkmechanismen lässt sich aber nur entgegen treten mit allen möglichen Schritten gegen Atomwaffen. Entgegentreten lässt sich in Deutschland gemeinsam mit ICAN. Wie, das erklärt nuclearban.de.

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5 comments

  • Atomkraft ist nicht beherrschbar, weiß heute im Interview mit dem Deutschlandfunk der Klimaforscher und Atomkraftgegner Mojib Latif. Dort kommt zur Sprache, was ich oben weggelassen habe, Radioaktivität, Strahlenschäden, Atommüll, Sellafield, Harrisburg und Fukushima, und das Klima. Nur eben nicht die Atombombe.

  • Michael Müller (Umwelt­politischer SPD-Vordenker, Bundes­tags­abgeordneter 1983-2009, Parlamentarischer Staats­sekretär im Bundes­umwelt­ministerium 2005-2009) sagt heute im Interview auf Klimareporter.de: „Die seit Jahrzehnten gemachten Ankündigungen von den angeblich sicheren Atomkraftwerken haben sich nirgendwo erfüllt. Aber die Reaktoren sind immer teurer geworden. Und müssten die Betreiber nachweisen, dass ein großer Unfall völlig ausgeschlossen ist, dann könnte kein einziges AKW mehr gebaut und die bestehenden müssten stillgelegt werden.

    Nach Tschernobyl wollten die Atomkraft-Befürworter die Wirklichkeit nicht zur Kenntnis nehmen, der Unfall wurde als Folge einer maroden Technik abgetan. Nach Fukushima kann das niemand mehr. Seitdem versuchten die Betreiber, zuerst zu überwintern, um heute die Zuspitzung der Klimakrise auszunutzen. Zuerst Laufzeitverlängerung und dann Neubau, so ist ihre Strategie.“

    Interviewer: Was steckt dann dahinter?

    Michael Müller: „Zum einen militärische Interessen. Frankreich und Großbritannien, das ebenfalls neue Atomkraftwerke baut, sind Atommächte. Energiefragen konnten im französischen Energieministerium nur im Beisein von Militärs behandelt werden. Zum anderen glaubt der technische Rationalismus, der mit der ersten europäischen Moderne verbunden ist, dass die Entwicklung technischer Möglichkeiten Macht und Fortschritt sei. Diese Ideologie ist in vielen Kreisen noch ungebrochen. Aber dahinter stehen Machtinteressen, Kurzsichtigkeit und Dummheit.“

  • Österreich hat einen stabileren Standpunkt gegen AKWs als die deutsche Koalition in Bezug auf das EU-Greenwashing von Atom und Erdgas zur Zeit. Das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) in Wien bietet 14 Faktenchecks gegen Mythen und ein „Es war einmal – Die Märchen der Atomlobby. Die hier verlinkte pdf-Datei trägt den Titel „Das Kraftwerk und die Bombe – Siamesische Zwillinge der Atomenergie“.

  • Ergänzend zur Verknüpfung im Beitrag, Atommächte brauchen Kernkraftwerke:
    – Analysen des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags gehen im optimalsten Fall von weltweiten Uran-Vorkommen für 47 Jahre, im schlimmsten Fall für nur 25 Jahre, aus.
    – Im Atomreaktor wandelt sich 1% des Kernbrennstoffs in Plutonium um. 5kg reichen für eine Atombombe.
    – Die zwei Wiederaufbereitungsanlagen UP 2 und UP3 in La Hague sind Plutoniumfabriken (UP = Usine Plutonium).

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